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Inhalte, Layout und Bilder auf dieser und allen andere Seiten der Website Eigentum von U. Hofmockel, 2014
Vorhanden war ein Seidenrock den ich mal für
weiß-der-Geier-was-für-ein-Kleid gemacht hatte und der sich dann als
nicht ganz passend für den gewünschten Stil herausstellte. Er hing dann
eine Weile im Keller gut ab, bis ich entdeckte, daß er doch vielleicht
für ein Kleid mit so gräßlichen großen Ärmeln taugen könnte... Die 1895er Mode mußte ich mir über einige Jahre schön schauen, um sie sich an mir vorstellen zu können. Aber irgendwann holt einen ja alles ein, also auch die Ballonärmel. Neben dem Rock galt es, das Stofflager etwas abzubauen und die Zeitung "Dies Blatt ist für die Hausfrau!" von 1895 hatte etwas im Angebot für mein Vorhaben. Konzipiert ist das Kleid zwar als Gesellschaftskleid und meine Seide war auch nicht gemustert, aber man muß sich ja nicht immer sklavisch an die Vorlagen halten. Neben meinem Rock aus lilafarbenem Seidenrips, noch einem Reststück davon für die Ärmel hatte ich noch einen Rest pflaumenfarbenen Seidensamt und ein Stück Baumwollspitze in creme. Perfekt für das Kleid also. An den Unterbau für die gewünschte Rockform habe ich erstmal keinen Gedanken verschwendet, obwohl der steife, weit abstehende Rock vieler Modekupfer der 1895er Jahre als Projekt durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient. Allerdings war wohl bei den Modekupfern oft auch der Wunsch federführend, denn der größte Teil aller Fotos dieser Zeit zeigen zwar ausgestellte Röcke, aber moderat und "machbar". Was aber bedeutet, daß der kleinere Teil mit den immens frei abstehenden Röcken das auch irgendwie hinbekommen haben muß... Ich habe mich beim Zuschnitt des Oberteils mal wieder für einen
Vorderverschluß mit seitlicher Überlappung entschieden, ein bewährtes
Prinzip. Die Grundlage ist ein Basisschnitt mit Rückenteil, seitlichem
Rückenteil und Vorderteil mit Abnähern. Dieser Basisschnitt wird als
Futtertaille mit gehaktem Mittelverschluß gearbeitet. |
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Auf das rechte Vorderteil wird dann an Seiten- und
Schulternaht nochmal ein Stück aufgesetzt, daß beiden Vorderteilen,
zugeschnitten im Bruch, entspricht.
Auf den Bildern sind das Rückenteil sowie die Vorderteilklappe bereits mit dem Spitzenstoff besetzt (schön, wenn der Rest quasi auf den Zentimeter reicht...) Das linke Bild zeigt die Futtertaille mit geschlossenem, mittleren Vorderverschluß. Die herabhängende Klappe entspricht dann richtig aufgelegt - Bild rechts - dem Schnitt des Vorderteils. Die Klappe wird später mit Haken und Ösen an der Schulternaht sowie der Seitennaht befestigt.
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Hier ist bereits der Kragen als Futter angesetzt und mit Seidensamt
belegt. Man kann wie bei moderner Verarbeitung erst Oberstoff und Kragen
verstürzen, praktischer finde ich aber die "Einzelbauweise". Sie beugt
Fehlern vor und hilft im Zweifel auch, welche zu kaschieren ;-) Die Nahtzugaben des Futterkragens werden umgelegt, darauf die umgelegten Zugaben des Oberstoffes und das Futtern wird dann an den Oberstoff staffiert. Zur Verstärkung des Hakenverschlusses an Schulter und Seitennaht ist ein Stück Nahtband untergelegt. Unter diesem werden dann die Haken angenäht und sind dann auch gleich hübsch verdeckt.
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Der Besatz der Taille ist locker hindrapiert, so wie es gerade gepaßt
hat. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn zusammen mit den Unterärmeln war
der Seidensamt damit auch verbraucht. So soll "Lagerabbau" sein...
Der Ärmel ist nach "Patterns of Fashion" konstruiert und besteht aus einem schmalen Unterärmel und einem aufgesetzten Ballon-Oberärmel. Der Futterärmel ist bis knapp über dem Ellenbogen auch mit Samt besetzt. Soweit, so gut. |
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"Patterns of Fashion" spricht davon, daß der Ärmelballon mit Papier gefüttert wäre. Seidenpapier schien mir zu lappig, da meine Seide nicht gerade ein Brett ist. Seidenorganza fand ich eine Idee, leicht und doch mit etwas Stand. Der Ballon wird quasi doppelt zugeschnitten und das Futter unsichtbar auf dem Oberstoff angenäht. Oberärmel oben und unten einreihen, probehalber hinstecken und... ... der Ärmel sieht irgendwie schlapp aus. Er ist zwar rund, aber nicht so bombastisch rund, wie er für diese Zeit sein sollte. Außerdem hält er dem Alltagsgebrauch wohl auch nicht wirklich stand. Organza scheidet also aus. |
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Meine Alternative war ein versteifter, dünner
Baumwollstoff, der den Eigenschaften von Papier ziemlich nahe kam.
Das Ergebnis war toller, rund stehender Oberärmel, der bei jeder Bewegung fürchterliches Geraschel verursachte. Ich bin ja leidensfähig, aber das Dauergeknister brauche ich dann doch nicht dauernd am Ohr. Versuch Nummer drei fand mit dem vorher verworfenen Seidenorganza, nun gesteift mit Leim, statt. Das Geraschel war gleich. Mich beschleicht der Verdacht, daß in den Jahren um 1895 ein immenser Lärm durch raschelnde Damenärmel herrschte, denn offenbar war das Füttern mit Papier gängige Praxis und ebenso, daß gegen das Papier nicht nochmal ein Futter gesetzt wurde. Und Papier, das gegen Papier reibt, raschelt nunmal... |
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Dem aufmerksamen Betrachter wird nicht entgangen sein,
daß sich mein vormals unifarbener Ärmel zwischenzeitlich eines zarten
Musters erfreut. Man ist im Kostümhobby ja immer bestrebt, sich selbst
möglichst nachhaltig zu piesacken. Somit dachte ich, daß es hübsch
aussehen könnte, wenn zumindest die Ärmel ein kleines Muster hätten und
bestickte diese mit einem einfachen Blütenmuster und in jeder Blüte mit
Roccaille-Perlen. Ein Rest purpurfarbenes Garn war noch da. Der bis dahin unbestickte Rock erschien - selbstredend - bei längerer Betrachtung irgendwie ganz fad gegenüber den Ärmeln. Eigentlich müßte man da ja die Stickerei noch am Saum auftauchen lassen... Der Rest vom Garn würde das schon noch hergeben. Natürlich reichte es optisch nicht, nur eine oder zwei Reihen Blüten am Saum zu machen, das Garn reichte für die 6 Reihen auch nicht, weshalb ich erfreulicherweise das letzte Garn in ähnlicher Farbe ergattern konnte und es passend nachfärbte. Meine Abneigung gegen das Sticken wurde im Verlauf aller Blüten nicht besser und Herr Worth hätte mich mit meiner Leistung keinesfalls in seiner Werkstatt eingestellt. Auch vor dem qualitätsbewußten Auge einer gründerzeitlichen Hausfrau würde ich mit meinem Sammelsurium unterschiedlicher und schiefer Blüten keine Gnade gefunden haben, aber erfreulicherweise geht wie so oft im Leben das Individuum in der Masse unter und alle zusammen sehen so schlecht am Kleid nicht aus.
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Zurück
zum Ärmel. Aus der freundlichen Community des www bekam ich eine
Bildvorlage für eine "Ärmeltournüre". In Modezeitschriften hatte ich
sowas bislang zwar noch nicht gefunden, aber zumindest würde sie nicht
rascheln. Da ja mein Oberärmelballon auf den Futterärmel aufgesetzt wird
erledigt sich mit der Ärmeltournüre folgerichtig die Frage der
Waschbarkeit der Kleider. Aber wer will seine Kleider schon waschen...
Die Tournüre war schnell gebastelt und entzückt durch beste Funktionalität. Sie klappt sich schön ein und das Verstauen des Oberteils im Schrank dürfte kein Problem sein. Am Arm bewegt sie sich gut (und geräuschlos...) mit und vor allem erzeugt sie einen schöneren Ballon als der Stoff alleine es vermochte. Links mit Ärmeltournüre, rechts ohne. |
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Prinzipiell
war das Kleid nun fertig.
Gemäß Vorlage und dem Zeitgeschmack fehlen noch die "Flügel" über den Ärmeln. Diese sind ein schönes Beispiel dafür, daß man Details bei Kleidern zwar weglassen kann, meistens verliert das Kleid dadurch aber an Charakter. Die Flügel sind aus dem allerletzten Rest Seidensamt, gedoppelt mit fester Seide. Auf der Seite des Klappenverschlusses ist der Flügel nach vorne hin mit Haken und Ösen befestigt. Mein Vorlagekleid hat noch zusätzlich große Zierbänder am Rock, eine Reihe Spitzen unter dem Flügel und auch gerüschte Flügel. Allerdings ist es auch ein Gesellschaftskleid und ich würde meines lieber unter der Rubrik "Tagesanzug" definieren wollen. Es darf also etwas dezenter sein (mal abgesehen davon, daß sowieso kein Fitzelchen Stoff mehr übrig ist...) Der Rock hätte eigentlich auch mit Papier gefüttert werden sollen, damit er viel Stand hat. Da mein Rock schon fertig war und ich weder das Rockfutter einleimen wollte noch den Rock nochmal aufmachen, habe ich zu Plan B gegriffen, welcher ein gesteifter Unterrock ist. Der Unterrock ist aus dünner Baumwolle, zugeschnitten wie der Kleiderrock und vollständig mit Leim gesteift. Beim Anziehen meint man, eine Tüte überzustreifen, aber im Kleid ist es nicht so schlimm, da der gesteifte Stoff nicht gegeneinander reibt. Der Rock steht natürlich nicht so schön ab, wie auf vielen Modekupfern, aber immerhin in bißchen.... Für mehr Stand bedarf es eindeutig weiterer Experimente mit Papier, Leim, anderem Stoff und einem besseren Schnitt. |
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