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Inhalte, Layout und Bilder auf dieser und allen andere Seiten der Website Eigentum von U. Hofmockel, 2012
| Sie war reizend, meine kleine Freundin, und ich fühlte mich
glücklich, sie in meinem Hause zu sehen, sie meinen anderen
Gästen vorstellen zu dürfen. Welche Triumphe würde ich mit ihr
feiern! Wie werden die Herren sie bewundern, und die Damen sie
beneiden!... Ich wartete ungeduldig auf sie, die Stunde des Dejeuners war da, und ich wollte meine Freunde mit diesem blonden Frühling überraschen. Endlich trat sie herein, frisch, rosig, reizend, aber - decolletirt! Sie errieth, sie verstand meinen Blick und, mir an den Hals fliegend, sagte sie: "Liebste, beste, einzige Alma, Du bist mit meiner Toilette nicht zufrieden. Ich sehe es. Und ich fürchte, noch viele Fehler zu machen, wenn Du mich nicht unterrichtest. Du bist in der Gesellschaft aufgewachsen, aber ich, ich arme kleine Frau aus der Provinz stehe verlegen vor dem Spiegel und frage mich rathlos: Was für ein Kleid soll ich anziehen?" "Darf ich Dich unterrichten?" fragte ich lächelnd. "Ich bitte darum. Gieb mir sozusagen im Auszug den hohen Codex der Kleider-Etikette. Der Gelegenheiten sind so viele! Diners, Soireen, Concerte u.s.w., und gewiß fordert jede ihr besonderes Recht. Welche Toilette z. B. begehrt das Dejeuner?" "Zum Dejeuner wählt man eine Toilette von schweren Stoffen", antwortete ich, "und geht stets hoch." "Ich sehe wohl", erwiederte meine Freundin, mit komischer Verzweiflung einen Blick auf ihre Toilette werfend, "ich werde mich umkleiden müssen. Doch nicht, bevor Du die Lection beendet hast. Was trägt man zum Diner?" "Das Diner erfordert eine Toilette von schweren Stoffen, hoch, wenn die Gesellschaft unter vierzig, decolletirt, wenn sie über vierzig Personen stark ist. Eine kleine Soiree, eine Soiree ohne Tanz verlangt ein Kleid von hellfarbigem Taffet, Foulard, drap argenté, von weißem Alpacca, Gaze chambéry und dergl. Doch vergiß nicht, zu diesen Gesellschaften stets hoch zu gehen. Zur größeren Soiree mit Tanz dagegen, zu Ball selbstverständlich nur leichte Stoffe und stets decolletirt." "Gut, aber es gibt noch so viele andere Festlichkeiten. Wenn man - wenn man z. B. zu einer Hochzeit geladen ist?" "Für Vormittagshochzeiten lautet die Parole: Toilette von elegantem, schweren Stoff und hoch; bei Diner- und Abendhochzeiten erscheint man in eleganter Gesellschafts- oder Balltoilette, jedenfalls aber decolletirt." "Und nun im Theater, in Concerten?" |
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"Was das Theater in der Residenz betrifft, so muß die Toilette für die Oper stets eleganter sein, als für das Schauspielhaus. Hast Du einen Platz im ersten Rang, so erscheine in eleganter Gesellschaftstoilette, auch decolletirt, wenn Du willst; aber im Parquet immer nur mit hoher Taille. Für das Schauspiel genügt eine einfache Gesellschaftstoilette, nie decolletirt. Matineen besucht man im eleganten Gesellschaftskleid, natürlich hoch; Hut von Crêpe, Tüll etc. und sortie de bal. Zu kleinen Concerten wählen wir eine einfache Gesellschaftstoilette, eine einfache Coiffüre; eleganter kleide Dich zu größeren Concerten und nimm zur Coiffüre Blumen, Band u.s.w. Überhaupt gehören zu jeder eleganten Toilette Blumen." "Nun wäre noch die Promenadentoilette zu beschreiben." "Da, liebe Freundin, befiehlt eine Mächtigere noch, als die Etiquette: die Mode. So gilt gegenwärtig z. B. als Promenaden-Toilette eine Robe von schwarzer Seide als sehr elegant." (Stand 1866, die Abtipperin) "Und die Handschuhe?" "Die Handschuhe müssen stets mit der Toilette übereinstimmen; dies aber ist Gesetz, sie müssen stets heller, als die Robe sein." "Du hast mir einen großen Dienst erwiesen." Sie sprach es mit solcher Aufrichtigkeit, daß ich unser Gespräch niederzuschreiben beschloß. Denn in der That, glaube ich, giebt es so manches Mädchen, manche Frau, die, durch ein Fest aus der Stille des Alltags gerissen, rathlos fragt: "Was für ein Kleid soll ich anziehen?"
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