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Wahre Worte aus dem Jahr 1890

In der Wortwahl manchmal etwas gewöhnungsbedürftig, aber darum nicht weniger zutreffend auch für die heutige Zeit.

 

 
  Die Mode ist eine strenge Herrscherin, und so ungern sich im allgemeinen die Frauen beherrschen lassen, ihr beugen sich doch alle. Da ist nichts, was nicht schön gefunden würde, so unnatürlich die Modelaunen auch sein mögen - denken wir doch nur an die Frauentrachten des 16. Jahrhunderts, den kinderkopfgroßen Chignon etc.

Es ist eine alte Erfahrung, daß der feine, scharfe Beobachter den Charakter nicht nur allein aus dem Wesen und der Umgebung jemandes, sondern ganz besonders nach der Kleidung beurteilt. Wie viele wollen z. B. durchaus mehr scheinen als sein, wie viele streben nur darnach, ihren Reichtum bei jeder Gelegenheit zur Schau zu tragen, es isst ihnen geradezu ein fürchterlicher Gedanke, nicht von jedem für reich gehalten zu werden! Und da diesen meist aus kleinen Verhältnissen Reichgewordenen die vornehmen Salons verschlossen bleiben, so tragen sie ihre Brillanten und Gesellschaftstoiletten auf der Promenade.

Ein altes Sprüchwort sagt zwar: "Kleider machen Leute", daß dies jedoch nicht immer der Fall ist sehen wir an jener Toilette, die uns ihrer Schönheit wegen bei einer bestimmten Dame auffällt und die bei einer anderen Dame gerade das Gegenteil hervorruft. Es muß eben alles was wir tragen für uns passen, und zwar nicht nur in der Form, sondern auch in der Wahl des Stoffes, der Zusammenstellung der Farben, der mehr oder weniger großen Kostbarkeit etc. Es ist daher eine Unnatur, eine bestimmte "Modefarbe" aufzustellen, und es ist noch unnatürlicher, daß diese Farbe pflichtschuldigst getragen wird, ob sie kleidet oder ob sie die Trägerin zur Vogelscheuche macht.

Solche unliebsame Beobachtungen, die wir täglich auf der Straße, in Gesellschaft, in Konzerten etc. machen können, lassen in uns unwillkürlich die Frage nach den Grundregeln bei Erledigung der leider so komplizierten Toilettenfrage auftauschen, und wir wollen versuchen, der verehrten Leserin zur Erleichterung einer befriedigenden Lösung jener Fragen zunächst einige leitende Gesichtspunkte vor Augen zu führen. Wir bezwecken mit unserem Buch keine Reform der Frauenkleidung, wie die neuesten Bestrebungen oft versuchten, sondern wir willen jede Dame darauf hinweisen, das zu tragen, was für sie das Passendste ist.

Die Damen sollen sich nicht von der Mode beherrschen lassen, sondern sollen die Mode selbst beherrschen, in dem sie sich derselben nur insoweit fügen, als sie ihnen günstig ist. Der Anzug soll in jeder Beziehung mit der Trägerin harmonieren, er soll für die Jugend jugendlich, für die reifere Frau solider, für das Alter würdig sein. Er soll aber auch für die reiche und vornehme Frau anders als für die wohlhabende oder weniger bemittelte beschaffen sein. Wie manche Frau, die in ihrer Jugend durch Schönheit glänzte, der alle Farben, jeder Kleiderschnitt gleich reizend stand, kann in späteren Jahren nicht die richtige grenze ziehen. Sie vergißt, daß auch sie verblüht und alt wird und kann sich nicht entschließen, die solideren Farben und den einfacheren Schnitt zu wählen: Sie will durch blendende Toiletten die entschwundene Jungend ersetzen und verfällt so in jene lächerliche Eitelkeit, die ihr in der Jugend selbst so unsympathisch war.

 
   

Ein vernünftiges Mitmachen der Mode wird gewiß jeder natürlich finden, denn so sehr die Übertreibung derselben Aufsehen erregt, so sehr fällt das Tragen längst vergangener Mode auf.

Deshalb wird die gebildete Frau der Mode in ihren Grundzügen Rechnung tragen müssen.

Die sogenannten Modedamen jedoch begnügen sich nicht mit dem bloßen Mitmachen, sie müssen noch etwas Besonderes haben. Wird Schlankheit bevorzugt, so kann ihre Schlankheit nicht genug übertrieben werden, ja sie schnüren und binden sich buchstäblich so zusammen, daß sie kaum einen heruntergefallenen Gegenstand aufheben können. Die Figur zeichnet sich ganz deutlich ab und jeder kann sein Urteil über dieselbe abgeben.

st die Krinoline begünstigt, so kann der Umfang nicht weit genug, bei der Tournüre der Auswuchs am Rücken nicht hoch genug sein. sind auffallende Farben modern, so können dieselben nicht grell genug und Streifen und Carreaus nicht groß genug erscheinen. Und so isst es nicht allein mit den Kleidern, sondern mit Haarfrisuren, Hüten, Schuhen etc., kurz sie machen, was auch die Mode Neues und Hübsches hervorbringt, stets eine Karrikatur daraus, und die Herren haben ganz recht, sie sie über die "verrückten Moden", die ja eigentlich nur die Ausgeburten der wirklichen sind, ihre Witze machen.

Kein junges Mädchen sollte sich nach solchen Vorbildern kleiden, auch wenn solche Damen auf Gesellschaften und Bällen von mehr Herren umringt sein und scheinbar größere Erfolge durch ihre auffallenden Toiletten zu verzeichnen haben sollten; im Grunde genommen "amüsieren" sich die Herren nur über sie. Sollten sie  sich wirklich nur von der strahlenden Toilette gefangen nehmen lassen, so sind solche Herren meist so unbedeutend, daß es eine Auszeichnung ist,  n i c h t   von ihnen beachtet zu werden.

Bei dieser Gelegenheit möchten wir uns noch einige Bemerkungen über die sehr geschnürten, sog. "Wespentaillen" erlauben.

Es ist nicht immer der Fall, daß die Mode dieselben begünstigt,  oft wird durch lose hängende Jabots, Jäckchen etc. der Taillenschluß geradezu verbreitert, es wir dann also weniger Wert auf engen Taillenschluß gelegt. Anders isst es jedoch, wenn die Mode dahin strebt, das Regime der Schlankheit zum Ausdruck zu bringen. Dann ist alles knapp und eng und die leidige Wespentaille tritt ihr Regiment an. So schön nun auch die schlanke, biegsame Figur ist, sie ist es nur bis zu einem gewissen Grade, das Übertriebene und Unnatürliche kann auch hier keinen Anspruch mehr auf Schönheit machen.

 

 

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